Als Resonanzforscherin werde ich oft gefragt, was Resonanz ist. Meistens stelle ich Gegenfragen. Was hat das letzte Mal dein Herz berührt? Wann hattest du das letzte Mal das Gefühl etwas bewegt und verändert zu haben? Resonanz ist etwas, dass wir erleben müssen, um es zu begreifen. 

© Brooke Cagle on Unsplash

Was ist Resonanz?

Beginnen wir bei der Physik. Physikalisch gesehen bedeutet Resonanz das verstärkte Mitschwingen eines schwingfähigen Systems. Bei jeder Schwingung nimmt das System also neue Energie von außen auf und speichert sie. Jedes System hat eine Eigenfrequenz, jedoch muss die Anregungsfrequenz in der Nähe des Systems liegen, das in Resonanz gehen soll. Somit ist Resonanz kein Gleichklang, sondern ein aufeinander Einschwingen. Resonanz ist eine Energie die (fast) immer vorhanden ist aufgrund der Verbundenheit der Menschen. Sie unterscheidet sich lediglich nach Intensität und ob sie positiv oder negativ attribuiert wird. Friedrich Cramer sagt „Resonanz ist das, was die Welt im Innersten zusammenhält“. 

Hartmut Rosa hat mit seinem Buch ‚Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung‘ einen Gegenentwurf zu den Wachstums-, Beschleunigungs- und Entfremdungsdynamiken in Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Der Beschleunigungs- und Wachstumsdruck der letzten Jahrzehnte ist für ihn eine Ursache der gesellschaftlichen Sinn- und Resonanzkrise. Die Sinn- und Resonanzkrise kann sich in Organisationen als fehlende Motivation, Entfremdung oder innere Kündigung zeigen. Hartmut Rosa stellt die Frage nach dem gelingenden Leben. Für ein gelingendes Leben braucht es laut ihm Resonanz und Sinn. 

Für Rosa bedeutet ‚in Resonanz‘ zu sein, in Verbindung und Beziehung zu stehen. In einer Verbindung die nicht instrumentell, sondern transformativ ist und ohne Manipulation und Kontrolle auskommt. Resonanz steht somit als Gegenentwurf zu Angst, Resignation und Entfremdung in Organisationen und in der Gesellschaft. Als eine präsente Beziehung des Zuhörens und Antwortens auf Menschen, Tätigkeiten und Erlebnisse. Dies kann ein kreativer Prozess im Team sein, ein erfolgreich umgesetztes Projekt, ein inspirierendes Gespräch, berührende Musik oder auch ein schöner Moment in der Natur. Resonanzbeziehungen sind laut Hartmut Rosa unter anderem gekennzeichnet durch emotionale Berührung und Offenheit. Für resonante Beziehungen liegt ein Schlüssel im aktiven Zuhören. Otto Scharmer beschreibt dies in Theory U als einen Prozess des Zuhörens, bei dem sich das eigene Denken, Fühlen und Wollen für Neues öffnet, bei dem vorgeprägte Denkmuster und innere Haltung losgelassen werden. 

Resonanz ist spürbar

Resonanz kann als eine Erfahrung von Freude, emotionaler Berührung, Verbindung und Selbstwirksamkeit in Beziehungen mit Menschen, Objekten, der Natur und Aktivitäten wahrgenommen werden. Es bedeutet sich auf eine gemeinsame Frequenz einzuschwingen. Wir können Resonanz in unserem Körper als Emotion, Energie oder Schwingung spüren. Als Freude, Herzklopfen oder Gänsehaut. Wir fühlen uns auf kognitiver, emotionaler und körperlicher Ebene berührt und bewegt. Für diese Emotionen und Gefühle sind auch Spiegelneuronen in unserem Gehirn verantwortlich. Sie spiegeln Emotionen, Mimik, Gestik und Körpersprache unseres Gegenübers. Wir können die Person(en), mit denen wir interagieren, sehen, spüren und fühlen. Als menschliche Wesen lernen und entwickeln wir uns durch die Spiegelung von Verhalten und Emotionen. Babys lernen und erleben die Welt beispielsweise, indem sie die emotionalen Reaktionen ihrer Eltern spiegeln. Dieser Prozess wirkt ein Leben lang. Der Mensch als soziales Wesen wird somit in jeder sozialen Interaktion geformt. Wir entwickeln uns und unsere Persönlichkeit durch diese Interaktionen mit anderen Menschen. Am und über unser Gegenüber lernen wir und lernen uns selbst kennen und entwickeln – persönlich und fachlich.

Organisationen als Resonanzraum 

Warum ist Resonanz für Organisationen relevant? Menschen schließen sich Organisationen an, um zu lernen, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Sie wollen Teil einer Gemeinschaft sein, einen gesellschaftlichen Beitrag leisten und ihren Lebensunterhalt verdienen. Laut der Gallup-Umfrage von 2018 haben lediglich 15 % der Mitarbeiter:innen eine hohe Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Die restlichen 85 % liegen zwischen mittlerer Bindung und innerer Kündigung. Eine Umfrage von PricewaterhouseCoopers zeigt, nur 36 % der Mitarbeitenden sind zufrieden und lediglich 44 % motiviert.

Ob Mitarbeitende motiviert, engagiert und involviert sind hängt in hohen Maßen von positiver Resonanz ab. Hierfür spielen Wertschätzung, der gesellschaftliche Beitrag und die Gemeinschaft innerhalb der Organisation eine Rolle. Gehalt, Karriere und die aktuelle Position sind bedeutsam, können aber nur bis zu einem gewissen Grad motivieren. Die berühmte zusätzliche Meile legen Mitarbeiter:innen aus anderen Gründen zurück: Vertrauen, psychologischer Sicherheit und Resonanz. Diese zeigen sich in der Art und Weise, wie Beziehungen gestaltet werden, ob sie positiv-vertrauensvoll oder negativ-angsterfüllt sind. Resonanzerfahrungen können positiv-vertrauensvolle Beziehungen aufbauen, Vertrauen schaffen und Zusammenhalt und Kooperation in der Organisation stärken. 

Zusammenfassung 

Organisationen sind ein sozialer Raum und können ein Ort der Sinnstiftung sein. Ein Ort, an dem wir mit unseren Fähigkeiten und Kompetenzen wirksam werden können. Dies macht eine Organisation zu einem Resonanzraum. Die Herausforderung besteht darin, diesen Resonanzraum bewusst und aktiv für Mitarbeiter – und Gesellschaft – zu gestalten.

Autorin

Magdalena Wallkamm ist Wissenschaftlerin und Organisationsentwicklerin. Sie schreibt ihre Doktorarbeit am Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik und der HHL Leipzig Graduate School of Management über den Einfluss von Resonanz auf den Gemeinwohlbeitrag von Organisationen. Als Organisationsentwicklerin möchte sie positive Resonanz ermöglichen – zwischen Menschen und in Organisationen.

Literatur 

Bauer, Joachim. 2019. Wie wir werden, wer wir sind. Die Entstehung des menschlichen Selbst durch Resonanz. München: Blessing Verlag. 

Cramer, Friedrich. 1998. Symphonie des Lebendigen: Versuch einer allgemeinen Resonanztheorie. Berlin: Insel Verlag. 

Nink, Marco 2018. Gallup Engagement Index 2018.
https://www.gallup.de/file/245474/Engagement_Index_2018_im_Zeitverlauf.pdf

PWC and strategy&. 2019. The crisis of purpose. https://www.strategyand.pwc.com/gx/en/unique-solutions/cds/approach/research-motivation/the-crisis-of-purpose-infographic.pdf

Rozovsky, Julia. 2015. The five keys to a successful Google team. https://rework.withgoogle.com/blog/five-keys-to-a-successful-google-team/

Rosa, Hartmut. 2017. Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. 5th ed. Berlin: Suhrkamp Verlag.

Rosa, Hartmut. 2018. Unverfügbarkeit. Wien und Salzburg: Residenz Verlag.